184
waltete Cato mit unerbittlicher Strenge sein Amt und verfolgte
jede Pracht und Üppigkeit, so daß er sich den Haß der Vorneh-
men zuzog. Er selbst wurde auf ihren Betrieb vier und vierzig
Mal während seines Lebens angeklagt, aber jedesmal vom Volke
freigesprochen, das in dem Feinde der Vornehmen seinen Freund
verehrte und begünstigte.
§. 44. Zweiter makedonischer Krieg gegen Perseus. (171 —168).
Seit dem verhängnißvollen Tage bei Kynoskephalä hatte
Philipp unablässig dahin gestrebt, die gesunkene Macht Makedo-
niens wieder zu heben. Während des Krieges der Römer in
Syrien gelang es ihm auch, sein Gebiet durch Eroberungen in
Thessalien und Thracien zu vergrößern. Unter den eroberten
Städten waren auch mehre, auf welche Eumenes, der König von
Pcrgamus, Ansprüche machte. Und sofort wandte sich dieser an
die Römer und erhob die bittersten Klagen über die Herrsch-
sucht Philipp's und dessen kriegerische Plane. Die Römer for-
derten den Philipp auf, die Eroberungen herauszugeben und sich
wegen der angebrachten Beschwerden zu verantworten. Der Kö-
nig gehorchte zwar; aber der Ausruf: „es sei noch nicht aller
Tage Abend gekommen ')," den er in seiner Erbitterung ausstieß,
zeigte deutlich sein Vorhaben, den Krieg zur rechten Stunde wie-
der aufzunehmen. Sein Sohn, der junge liebenswürdige De-
metrius, der mehre Jahre als Geißel zu Rom gelebt hatte,
übernahm hier vor dem Senate die Vertheidigung des Vaters
und wirkte nur mit Mühe Verzeihung für ihn aus. „Nur aus
Achtung für den Sohn — erklärte der Senat — sei er bereit,
dem strafwürdigen Vater zu vergeben." Und um den Samen
der Zwietracht in die königliche Familie selbst auszustreuen und
diese sicher zu verderben, gab man dem jungen Prinzen zu ver-
stehen, ihm, und nicht seinem ältcrn Bruder Perseus habe
man die Krone Makedoniens zugedacht. Seitdem faßte Perseus
einen tödtlichen Haß gegen seinen Bruder und suchte auf alle
Weise, den Nebenbuhler aus dem Wege zu räumen. Er ver-
dächtigte ihn beim Vater als einen gefährlichen Freund und An-
hänger der Römer, der sogar seinem eigenen Vater nach Krone
J) Nondum omnium dierum solem occidisse. Liv. Xxxix, 26.
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Extrahierte Personennamen: Cato Philipp Philipp Philipp Philipp
220
fertige absichtlich in die Länge ziehe, nur um den Oberbefehl zu
behalten. Im stolzen Selbstgefühle seiner Kraft und seiner Ver-
dienste begab er sich ohne Urlaub nach Rom, um jetzt das Con-
sulat und die Führung des jugurthinischen Krieges für sich selbst
nachzusuchen; und wurde bei seiner Ankunft mit außerordentlicher
Gunst von dem Volke ausgenommen. Hier wiederholte er seine
Schmähungen gegen Metellus und den Adel überhaupt, dessen
Anmaßungen mit seiner Verdorbenheit wüchsen; dagegen rühmte
er sich, mit der Hälfte der Truppen in einem Feldzuge den nu-
midischen Krieg zu endigen und den Jugartha entweder todt oder
gefangen einzubringen. Das Volk war auf das günstigste ge-
stimmt für diesen Mann aus seiner eigenen Mitte: und er, der
Bauerssohn, erlangte das Consulat nebst Führung des numidi-
schen Krieges (107). Da sprach Marius das stolze Wort: er
trage das Consulat als eine Beute davon, die er der Weichlich-
keit des Adels abgenommen habe; nicht der Denkmale und Bil-
der seiner Ahnen, sondern seiner Wunden rühme er sich. Bevor
er zum Heere in Afrika abging, stellte er zur Ergänzung der
Legionen neue Werbungen an; und er, der Mann des Volkes,
nahm, jetzt zum ersten Male, auch die früher vom Kriegesdienste
ausgeschlossene, niedrigste Klasse des Volkes, die Proletarier, die
durch keinen Besitz an den Boden des Vaterlandes und sein
Geschick geknüpft waren, in die Legionen auf. Mit ihnen eilte
er zum sicheren Siege nach Afrika.
Metellus, gekränkt, daß Marius sich so schändlich auf Kosten
seiner eigenen Ehre ernporgeschwungen hatte, wartete die Ankunft
dieses Emporkömmlings nicht ab, und reifete nach Rom, um
Rechenschaft von seiner Verwaltung abzulegen. Er hatte die
vollgültigsten Beweise für sich; und zur Belohnung seiner Ver-
dienste wurde ihm nicht nur der Triumphzug, sondern auch der
Name, „Numidieus" zuerkannt.
Marius eröffnete den Feldzug mit rastloses Thätigkeit. Er
entriß dem Jugurtha eine Stadt nach der andern und bemäch-
tigte sich durch Überraschung sogar des großen,, in der Wüste
gelegenen Waffenplatzes Capsa (Gaffa). Der flüchtige Jugurtha
vereinigte sich bei Cirta (Constantien) mit seinem Schwiegervater,
und hier kam es zur Entscheidungsschlacht, in welcher die beiden
verbündeten Könige völlig geschlagen wurden. Jugurtha floh mit
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Marius Marius Marius Marius Cirta
Extrahierte Ortsnamen: Rom Weichlich- Afrika Afrika Rom Waffenplatzes_Capsa_(Gaffa
257
ser, ein höchst arglistiger und verwegener Mensch, der vor keinem
auch noch so ruchlosen Unternehmen zurückbebte, stammte aus
einer alten patricischen Familie Rom's. Mord, Raub und Brand
waren die ersten Thaten und Vergnügen seiner Jugend. Bei
den Proscriptionen des Sulla befehligte er eine Horde von Gal-
liern und befriedigte seine wilden Gelüste in der gräuelvollsten
Weise. Sein Vermögen hatte er mit gleichgesinnten Jünglin-
gen .aus den höchsten Ständen in einem wüsten Leben ver-
schwendet. Tief in Schulden versunken, schmiedete er den ver-
zweifelten Plan, die Verfassung gewaltsam zu stürzen und sich
nach Sulla's Beispiele der höchsten Gewalt zu bemächtigen. Ihm
zur Seite standen die kühnsten, verruchtesten und verdorbensten
Menschen der Stadt, und unter diesen vorzüglich viele aus-
schweifende Jünglinge vom höchsten Adel, mißvergnügte und
ehrsüchtige Senatoren und Ritter, verarmte Patricier, die das
Ihrige vergeudet hatten; auch Frauen von berüchtigtem Lebens-
wandel und großem Anhänge, waren betheiligt. So reichte das
freche Unternehmen selbst bis zu den höchsten Kreisen und ge-
wann immer neue Anhänger und Beförderer. Sie alle warte-
ten auf das Signal von Catilina, um durch eine gewaltsame
Erhebung sich nicht nur von der Ahndung der Gesetze, dem Drucke
der Armuth und deu Verfolgungen der Gläubiger zu befreien,
sondern auch Reichthum und Würden zu erobern. Nachdem die
Verschwörung eingeleitet war, suchte man die Hefe des Volkes
in Rom, und Sulla's Soldaten zu gewinnen, welche, nachdem
sie die reiche Beute vergeudet, neue Wirren wünschten. Die
Zeit der Erhebung erschien als höchst günstig, weil Pompejus
mit dem Heere in Asien stand. Daher beabsichtigten die Ver-
schworenen, ihrem Haupte zum Consulate zu verhelfen, um mit-
telst dieser höchsten Würde den glücklichen Ausgang ihrer Um-
triebe zu sichern.
Im Jahre 66 bewarb sich Catilina um das Consulat,
wurde aber zurückgewiesen, weil er wegen Erpressungen in der
Provinz Afrika, die er als Proprätor verwaltet, in Anklagestand
versetzt war. Schon jetzt wollte er mit seinen Mitverschworenen
losbrechen, die beiden Consuln ermorden und dann die Negierung
Catilina. Dieser wirb von Cicero (Iii., 7.) bezeichnet als homo acer, pa-
ratus, audax, caüidus, in scelere vigilans, in perdilis rebus diligens,
Wetter, Geschichte der Römer. \n
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Extrahierte Personennamen: Sulla Catilina Catilina Catilina Cicero
264
dem Tode des Sulla nach Rom zurück. Um sein Rednertalent,
von welchem er hier schon herrliche Proben abgelegt hatte, noch
mehr auszubilden, machte er im Winter des Jahres 76 eine Reise
nach Rhodus, wo der berühmte griechische Rhetor Molo eine
Schule für die Redekunst eröffnet hatte. Unweit Milet wurde
er von Seeräubern aufgefangen, welche zwanzig Talente Löse-
geld forderten. Er aber wollte fünfzig geben, indem er sagte,
er sei wohl so viel und auch noch mehr werth; — und schickte
seine Sklaven ab, das Geld zusammenzubringen. Vierzig Tage
lang war er auf dem Caperschiffe. Durch Kühnheit, Geist und
Witz nahm er erst die Piraten für sich ein, dann beherrschte er
sie; ja er nahm keinen Anstand, ihnen im Scherze zu drohen, er
werde sie alle hinrichten lassen. Endlich kam das Lösegeld an,
und er wurde bei Milet an's Land gesetzt. Sofort eilte er an
der Spitze einiger wohlbemannten Schiffe, die er sich verschafft
hatte, den Räubern nach, holte sie ein und verwirklichte an ihnen
seine frühern Drohungen. Nach seiner Wiederankunft in Nom
erwarb er sich durch seine Freigebigkeit und demokratischen Grunde
sätze die Volksgunst, das sicherste Mittel der Erhebung; und sein
Ehrgeiz spornte ihn immer vorwärts auf der Bahn der Ehre
und des Ruhmes. Im Jahre 67 ging er als Quästor nach
Spanien, und sprach zu Gades, vor dem Standbilde Alexander's
des Großen, mit Thränen in den Augen: „Der hatte in mei-
nem Alter schon die Welt erobert, und ich — ich habe noch
nichts gethan!" Als curulischer Ädil (65) empfahl er sich dem
Volke durch die prachtvollsten Spiele; namentlich veranstaltete
er ein Gladiatorengefecht, bei welchem 320 Paar, alle in sil-
bernen Rüstungen, auftraten. Durch nichts aber sprach er seine
Gesinnung deutlicher und nachdrücklicher aus, als durch die Her-
stellung der Trophäen des Marius. Bei Nacht ließ er sie, mit
Bildern des Sieges und der Siegesgöttin geschmückt, auf dem
Capitole aufstellen; eine Inschrift feierte die Thaten, deren Denk-
male sie waren. Das Aufsehn war allgemein, die Wirkung ge-
waltig. Mit lautem Jubel begrüßten die alten Marianer, deren
große Zahl man da erst kennen lernte, das Bild ihres großen
Feldherrn im glänzenden Schmucke seiner Kriegestrophäen, und
Cäsar galt seitdem als ihr neues Haupt. Im Senate dagegen
vernahm man das ernste Wort: nicht mehr durch unterirdische
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Extrahierte Personennamen: Sulla Marius Marius Cäsar
304
tugend der Vorfahren empfänglich. Brod und Spiel (panem
et oiro6n868) waren die einzigen Wünsche des nur auf Genuß
des Augenblicks bedachten Volkes. Daher fiel es dem klugen
Octavian, welcher tiefe Einsicht und Herrschergaben mit Milde,
Mäßigung und Beharrlichkeit verband, nicht schwer, die römische
Republik in eine Monarchie umzuwandeln, zumal da er hie-
bei der verjährten Vorurtheile nach Möglichkeit schonte. Durch
Cäsar's Schicksal gewarnt, vermied er sorgfältig alles, wodurch
er den Unwillen der Römer gegen sich hätte erregen können.
Er ließ den Senat, die Consuln, die Tribunen, kurz alle Wür-
den des ehemaligen Freistaates bestehen, doch nur dem Namen
nach; der That nach vereinigte er sie allmälig in seiner Person
und regierte unumschränkt. Auch nahm er wiederholt den Schein
an, als sei er ganz bereit, das lästige Geschäft der Negierung
uiederzulegen und in das Privatleben zurückzukehren. Durch die
demüthigen Bitten seiner Freunde und Anhänger aber, welche
diesen Wunsch wohl zu deuten wußten, ließ er sich jedesmal
gern bewegen, dieselbe auf eine bestimmte Zeit, gewöhnlich nur
auf fünf oder zehn Jahre, wieder zu übernehmen, bloß um sich
dem Vaterlande, wie er vorgab, durch die Übernahme dieser
lästigen Bürde gefällig zu erweisen; — ein Gaukelspiel, das er
bis zu seinem Tode fortsetzte. Bei aller Machtfülle, die er be-
saß, nahm er die bescheidene Miene eines bloßen Bürgers au.
Er speisete, wohnte und kleidete sich nicht besser als zuvor; nur
umgab er sich zur Sicherheit mit einer Leibwache. Ihm zur
Seite standen als Freunde und Rathgeber Agrippa und Mä-
cenas, zwei Männer, von welchen der erstere durch seine
großen Kriegeskenntnisse, der andere durch seinen Sinn für
Künste und Wissenschaften, Beide aber durch große Klugheit und
Mäßigung sich allen empfahlen.
Octavian wurde bei seiner Ankunft in Rom, die im Ser-
tilis (nach ihm Augustus benannt) des Jahres 29 erfolgte, mit
den ausschweifendsten Ehrenbezeugungen empfangen. Ihm wurde
wegen seiner Siege in Dalmatien, bei Actium und in Ägypten
ein dreifacher Triumph bewilligt; und rauschende Feste und
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Extrahierte Personennamen: Rathgeber_Agrippa Octavian Augustus
338
Legionen und riefen den vierzehnjährigen Sonnenpriester zu
Antiochia, Heliogabalus, den seine Mutter für einen Sohn des
bei den Soldaten beliebten Caraealla ausgab, zum Kaiser aus.
Macrinus wurde bei Antiochia geschlagen, auf der Flucht einge-
holt und nebst seinem Sohne zu Chalcedon hingerichtet.
Bassianus Heliogabalus (218—222). Dieser junge
Wüstling brachte asiatischen Lurus und Götterdienst nach Rom
und zerstörte hiedurch den letzten Keim altrömischer Zucht und
Sittlichkeit D- Er überließ sich allen ersinnlichen Ausschweifun-
gen, Lastern und Thorheiten <0, während seine Mutter und Groß-
mutter die eigentlichen Regierungsgeschäfte verwalteten und sogar
im Senate erschienen. Selbst den zügellosen Prätorianern war
ein so sinnlicher Schwächling verächtlich. Sie ermordeten ihn
nebst seiner Mutter und riefen seinen Vetter Alexander Severus
zum Kaiser aus.
Alexander Severus (222—235) war ein gebildeter,
milde gesinnter Jüngling, der manche gute Einrichtungen traf
und den Rathschlägen seiner verständigen, den Christen gewoge-
nen Mutter Mammäa Gehör schenkte; allein für die Leitung so
schwieriger Staatsverhältnisse waren seine Kräfte zu schwach.
In den ersten Jahren seiner Regierung stand der große Rechts-
gelehrte Ulpian an der Spitze eines Staatsrathes von sechzehn
Senatoren und suchte als Präfect der Garde durch strenge Ver-
ordnungen der Zügellosigkeit eine Grenze zu setzen; allein die
über solche Neuerungen erbitterten Soldaten drangen in den Pa-
last und mordeten ihn vor den Augen des Kaisers, der sogar
flehentlichst um Begnadigung seines treuesten Dieners gebeten
hatte. Nur mit Mühe entging Dio Cassius, der in Pannonien
eine strengere Mannszucht einführen wollte, dem drohenden Tode.
Des Kaisers Sanftmuth und Milde steigerte nur die'frechheit
und Unverschämtheit der Soldaten, und vielleicht wäre der Kai-
ser selbst schon jetzt ein Opfer derselben geworden, wenn nicht
ein unerwartetes Ereigniß im Orient ihm eine Gelegenheit ge-
geben hätte, das beutelüsterne Heer durch Krieg zu beschäftigen.
Im Jahre 226 ging nämlich eine denkwürdige Veränderung im
5) Der Sonnencultus blieb fortan in Rom.
6) Probris se omnibus contaminavit; impudicissime et obscenissime
vixit. Eutrop. Viii. 22.
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Extrahierte Personennamen: Macrinus Bassianus_Heliogabalus Alexander_Severus Alexander Alexander_Severus Alexander Mammäa_Gehör
Extrahierte Ortsnamen: Antiochia Heliogabalus Antiochia Rom Pannonien Rom Eutrop
395
Licin. Calvus, Q. Hortensius, Asinius Pollio, vor allen aber
durch Cicero, dessen Namen für den der Beredsamkeit selbst
fast sprichwörtlich geworden ist. (S. 8. 62.) Von ihm sind noch
59 Reden und mehre rhetorische Schriften vorhanden, in denen
zugleich die Sprache in der größten Reinheit und elegantesten
Vollendung erscheint. Seit der Umgestaltung der Staatsver-
fassung unter Augustus verlor die Beredsamkeit ihre wahre ur-
sprüngliche Bestimmung. Sie ging aus dem öffentlichen Leben
in die Schulen der Rhetoren über, wo sie als Kunst und allge-
meines Bildungsmittel fortwährend mit vielem Eifer betrieben
wurde. Von Vespasian und Hadrian wurden Lehrer der Be-
redsamkeit öffentlich angestellt und besoldet, unter denen sich die
Jünglinge zu Staatsbeamten und vorzüglich zu Sachwaltern
bildeten. Es wurden Übungsreden (äeolgmationos) über aller-
lei erdichtete Gegenstände und aufgegebene Themen angefertigt.
Die Beredsamkeit selbst aber, von welcher nur bei gerichtlichen
Verhandlungen, bei Leichenreden und feierlichen Veranlassungen
zu Lobreden auf den Kaiser ein beschränkter Gebrauch gemacht
werden konnte, artete immer mehr in niedrige Schmeichelei,
schimmernden Prunk und schwülstige Phrasen aus. Ausgezeichnet
sowohl als Redner als auch als Lehrer der Redekunst war Fa-
bius Quintilianus aus Calagurris in Spanien (gest. 95
n. Chr.) Sein Lehrbuch der Rhetorik (institutiones orst. I.
Xii.), welches aus vieljährigen Forschungen und langer Er-
fahrung geschöpft ist, umfaßt den ganzen Cursus der Redekunst
in einer correcten, dem Cicero nachgebildeten Sprache. Unter
den spätern Kaisern, wo die freie Gesinnung immer mehr ver-
schwand, wurde diesig, panegyrische (lobrednerische) Bered-
samkeit vorherrschend, und für diese blieb die Lobrede des jün-
gern Plinius auf Trajan Muster.
Auch die Rechtswissenschaft war bei den Römern, die
nach ihren Gesetzen bald den ganzen damals bekannten Erdkreis
regierten, sehr ausgebildet. Das älteste und noch durch bedeu-
tende Bruchstücke bekannte Werk römischer Gesetzgebung sind die
zwölf Tafeln, vom Jahre 450 v. Chr., die von den Römern
als die Grundlage alles späteren Rechts betrachtet wurden. (S.
§• 22.) Diese erhielten im Verlaufe der Zeit einen immer
wachsenden Zusatz durch die hinzugekommenen Senats- und Volks-
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Extrahierte Personennamen: Asinius_Pollio Cicero Augustus Vespasian
!
402
So sehr der Sinn des Römers sonst auf die äußeren Ver-
hältnisse des Lebens und das unmittelbar Nützliche gerichtet war,
so verachtete er doch eigentlich den Handel als ein niedriges
Gewerbe, obschon die Lage Rom's und die Verbindung mit den
schönsten Ländern der Erde besonders dazu einzuladen schienen.
Dieser blieb lange den Fremden, Freigelassenen und Sklaven
überlassen. Doch nahmen in späterer Zeit die Ritter am Groß-
handel Theil. Sie vereinigten ' sich zu Gesellschaften für An-
pachtung der Staatseinkünfte, für Banquier- und Wechselge-
schäfte, für Lieferungen und Entreprisen. Solche Großhändler
nannte man vorzugsweise neg-okisloros, so wie ihre Geschäfte
neß-otia. Auch jedes städtische Gewerbe galt für keine an-
ständige Beschäftigung eines freien Bürgers und blieb Fremden,
Freigelassenen und Sklaven überlassen. Für die wichtigste und
ehrenvollste Erwerbsquelle galt der Ackerbau, und Grundbesitz
war der vornehmste und fast einzige Reichthum des Römers.
Die größten Feldherren und Staatsmänner, deren Häupter der
Lorbeer schmückte, beschäftigten sich, zumal in der ältern Zeit,
am liebsten auf ihrem Acker hinter dem Pfluge, und der Land-
bau war die kräftigste Pflanzschule aller römischen Tugenden.
Sogar die Namen so mancher der angesehensten Römerfamilien,
wie Fabius, Lentulus, Pifo, Cicero und viele andere sind ganz
vom Landbau und von gemeinen Gartengewächsen hergcnommen.
Mit dem wachsenden Umfange des Reichs vermehrte sich auch der
Grundbesitz einzelner Bürger. Die einfachen Landsitze der Vor-
zeit verwandelten sich in prachtvolle Villen, auf welche sich der
reiche Besitzer von den Staatsgeschäften zurückzog, und die Be-
treibung der Landwirthschaft ward größtentheils ärmeren Bür-
gern, Clienten und Sklaven überlassen. Seitdem der Ackerbau,
der festeste Grundpfeiler des Staates, im Ansehn sank, sank auch
der Staat selbst mehr und mehr von seiner frühern Höhe hinab.
K. 88. Erziehungswesen.
Die Erziehung der Zugend war in der älteren Zeit mehr auf kör-
perliche als geistige Ausbildung gerichtet, und bestand hauptsächlich in
einer frühzeitigen Angewöhnung an die Sitten und Handlungsweise
des rechtlichen Staatsbürgers. Die nöthigsten Elementarkenntnisse
erhielt der Knabe entweder im elterlichen Hause, oder in Privat-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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183
auch der Grund zu dem nun anbrechenden Sittenverderbniß ge-
legt i). Das üppige, lüsterne Leben, welches sie in Asien kennen
gelernt hatten, wurde nun in der Heimath fortgesetzt, und so die
alte Einfachheit und Strenge der Sitten immer mehr verdrängt.
Prunklust, Habsucht und Bestechlichkeit fanden Eingang; Cither-
spielerinnen, schwelgerische Gelage, Ruhepolster wurden in der
Hauptstadt gesehen. Gegen dieses einreißende Übel eiferte aus
allen Kräften M. Porcius Cato Censorinus, ein Mann
von altrömischer Strenge und Einfalt, der sich aber durch seinen
zu großen Eifer oft auch zu Ungerechtigkeiten fortreißen ließ.
An ihm hatten auch die beiden großen Scipionen, welche in Rom
als Beförderer griechischer Kunst und Kultur auftraten, einen
unerbittlichen Feind. Auf seinen Antrieb klagten die Volkstribu-
nen zuerst den Scipio Afrikanus an, er habe sich von Antiochus
mit Geld bestechen lassen. Scipio erschien an dem bestimmten
Tage vor Gericht; anstatt sich aber gegen eine so unwürdige
Anschuldigung zu vertheidigen, rief er feierlich aus: „An diesem
Tage habe ich den Hannibal bezwungen und Karthago bezwun-
gen, folgt mir Römer, nach dem Capitol, um den Göttern das
schuldige Dankopfer zu bringen." Voll Begeisterung folgte die
ganze Versammlung ihm nach; und Kläger und Richter standen
beschämt und verwirrt da. Weil aber die Tribunen von ihrer
Klage nicht abließen, so verließ er bald nachher auf immer das
undankbare Rom und lebte auf seinem Landgute in Linternum, wo
er in demselben Jahre (183) mit Hannibal sein großes Leben
endete. Rach seinem Tode erhoben die Tribunen auf Betrieb
des Cato dieselbe Klage auch gegen den Bruder des Afrikaners,
gegen Scipio Asiaticus. Er wurde zu einer Geldstrafe verur-
theilt, und da er sich weigerte, dieselbe zu zahlen, sollte er er-
griffen und in's Gefängniß abgeführt werden. Nur mit Mühe
Hintertrieb der Tribun Sempronius Gracchus solche Schmach;
jedoch wurde sein Vermögen eingezogen, und cs fand sich, zur
Beschämung der Ankläger, keine Spur von dem angeschuldeten
Reichthum. Spenden der Freunde und Verwandten unterhielten
den mißhandelten Mann bis an seinen Tod. Als Censor ver-
l) Asia primam devicta luxuriam misit in Italiam. Plin, h ».
Xxiii. 14.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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202
und Gesetzgebung aus, besonders in den nicht griechischen Provinzen.
Für die Statthalter wurden die Provinzen oft die Quellen der
Bereicherung und nicht selten auf das grausamste von ihnen be-
drückt und ausgeplündert. Umsonst wurden gegen Erpressungen
und andere Mißbräuche in der Provinzial - Verwaltung strenge
Verordnungen erlassen, wie die C a l p u r n i s ch e, (lex Oulpurnia
ropetunäurum, 150); die constitutionellen Gebrechen wuchsen auf
eine Unheil ankündigende Weise. Insbesondere war der Umstand
am gefahrdrohendsten, daß die Statthalter, ausgerüstet mit der
höchsten Civil- und Militärgewalt, in den Provinzen die Sü-
ßigkeit des unabhängigen, stelbständigen Herrschens kennen lernten.
Wegen der weiten Entfernung der Provinzen und der Langwie-
rigkeit gewisser Kriege mußte man ihnen zuweilen den Oberbefehl
verlängern; und bald bewilligten der Senat und das Volk,
um ihren Lieblingen zu gefallen, das was sonst selten und nur
aus Nothwendigkeit geschehen war. Diese Männer, seit langer
Zeit an's Befehlen gewohnt, konnten sich nur schwer entschließen,
in das Privatleben zurückzukehren und zu gehorchen; und der
erworbene Reichthum gab den Ehrgeizigen mehr Mittel an die
Hand, die Freiheit zu gefährden. So erhielt Rom mit der Zeit
in den Provinzen seine Despotenschulen, und die Republik ist eine
Beute der Zöglinge dieser Schulen geworden 2).
Es sank überhaupt, während Rom seine Herrschaft über
drei Welttheile ausdehnte, mehr und mehr die innere Größe,
die allein einem Staate dauernden Bestand geben kann. Rom's
übergroßes Glück war sein Unglück, und seine unnatürliche Größe
sein Verderben. Die alten einfachen Sitten, durch welche dieser
Staat aus dem kleinsten der größte geworden war, verloren sich
immer mehr, jemehr die Römer mit asiatischer Üppigkeit und
Schwelgerei bekannt wurden. Durch die erbeuteten Schätze und
durch die hohen Abgaben, die aus den vielen eroberten Provin-
zen jährlich nach Rom flössen, waren die Bürger der Hauptstadt
in den Stand gesetzt, alle Leidenschaften zu befriedigen. Der
Ackerbau verlor seine Achtung und wurde Sklaven überlassen;
Keiner wollte arbeiten, Jeder nur genießen, und bei der steigen-
den Arbeitsscheu und Genußsucht wurden Alle immer gleichgül-
') Siehe Göttling, Seite 427.
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